Samstag, 11. Januar 2014

http://img.morgenpost.de/img/berlin/crop115457375/5818726253-ci3x2l-w620/Rentner.jpgAufräumen für einen neuen Lebensabschnitt

Schon viele Jahre wohnen meine Großeltern in einem alten Bahnwärterhäuschen ganz oben auf einem Berg. Vier Kinder haben sie hier großgezogen. Danach kamen sechs Enkel. Letzten Sommer kam für mich der Schock in Form des Satzes: Wir wollten euch sagen, dass wir uns entschieden haben hier auszuziehen.






Wenn man ein ganzes Leben lang in einem Haus gelebt hat, sammeln sich sehr viele Dinge an. Ist man dann altershalber gezwungen umzuziehen, so steht man vor einer sehr schwierigen Aufgabe. Was kommt noch mit? Was brauche ich zum Wohlfühlen? Wofür habe ich überhaupt noch Verwendung? Wie viel Platz habe ich noch für Möbel?





http://www.myself.de/var/myself/storage/images/media/images/artikelbilder/2013/redaktion/tipps-ratgeber/wohnideen/umzug/umzugskisten_quer_istock/887524-1-ger-DE/umzugskisten_quer_istock_large.jpgIn einem Gespräch versuche ich herauszufinden, wie meine Großeltern an dieses emotionale Thema herantreten, wie sie sich auf den Umzug vorbereiten. Angefangen haben sie mit dem Kauf von Umzugskisten. Doch man merkt, es fällt ihnen schwer loszulassen. Schließlich ist schon so viel passiert in diesen vier Wänden. Wichtig ist den beiden, dass Gegenstände, die noch brauchbar sind, nicht im Müll landen. Die Vernunft sagt ihnen auch: in einer neuen, kleineren Wohnung brauchen wir nicht mehr so viel. Deshalb sehen sie sich jetzt, schon Monate im Vorraus, nach Möglichkeiten um Dinge zu verteilen. Die Betonmaschine hat per ebay schnell einen Käufer gefunden, Bücher von denen sie sich trennen können werden der Gemeinde Bibliothek gespendet und Kleidung und Schuhe kommen zur Caritas. Von manch liebgewonnenem Möbelstück trennt man sich jedoch schwerer.

Es gibt auch Dinge, die keine Verwendung mehr finden. Diese landen, auch wenn es schwer fällt, in der Tonne. Aber, sagt mein Opa und blinzelt mir zu, ich habe ja eine Enkelin, die öfter einmal ihre Bohrer verliert! Ich weiß von wem er redet, denke wehmütig an unsere gemeinsamen Stunden in seiner kleinen Werkstatt zurück und denke mir: Schade, dass ihr bald nicht mehr hier sein werdet. Nichts destotrotz, ich weiß, dass der Umzug in eine kleinere, seniorengerechte Wohnung ein kluger Schritt ist. Von manchen Dingen, seien sie materiell oder immateriell muss man sich nach einer gewissen Zeit trennen. Waren sie unnötiger Ballast, macht uns die Trennung frei und wir vergessen sie schnell. Waren sie wichtig, dann tragen wir die Erinnerung daran sowieso in unserem Herzen.







Ich erinnere mich wieder an einen Zeitungsartikel den mein Vater am Anfang dieses Projektes entdeckte. Die Schwäbische Zeitung veröffentlichte am 23. Oktober 2013 den Artikel: Aufräumen für den neuen Lebensabschnitt - Die Auflösung des Haushalts pflegebedürftiger Menschen ist für Angehöroge oft eine seelische Belastung - Professionelle Hilfe möglich.
Im Artikel wird deutlich, dass das Klammern an liebgewonnene Gegenstände bedeutet: solange ich noch mit meinen gewohnten Sachen in meiner alten Wohnung sitze, ist alles gut. Aufräumcoach Katharina Auerswald aus Wiggensbach rät alten Menschen sich rechtzeitig um das Aufräumen, Ordnen und Wegwerfen von Besitztümern zu kümmen. Ganz gezielt mit Fragestellungen wie: Finden sich meine Angehörigen im Falle meiner Abwesenheit mit meinen Unterlagen  zurecht? Für Angehörige sind oft tiefenpsychologische Konflikte mit der Entrümperlung verbunden. Während es vordergründig um das Ausmisten geht, werden im Versteckten oft Beziehungsmuster und Kindheitsverletzungen noch einmal durchlebt.

Vermutlich steht auch meiner eigenen Familie mit dem Umzug der Großeltern noch Einiges bevor. Doch ich hoffe, dass wir alle zusammenhelfen und das gemeinsam gut über die Bühne bringen.


3 Kommentare:

  1. Wow, ich finde es toll, dass deine Grosseltern diesen Schritt freiwillig machen und noch selbst anpacken können! Bei meiner Grossmutter ist abzusehen, dass sie bald in ein Pflegeheim wechseln muss, und da die Familie ziemlich zerstritten ist, graut uns allen vor dem Moment, wo wir dieses bis unters Dach vollgestopfte Haus räumen müssen. Aber in dem Moment, wo meine Grossmutter dieses Problem erkannt hat, brauchte schon der normale Alltag eigentlich mehr Kraft, als sie noch hat. Da ist schlicht keine Energie mehr übrig, um ein solches Projekt auch noch anzugehen. Wahrscheinlich bleibt der Grossteil nun an uns Enkeln hängen, weil es für uns weniger emotionale Hemmnisse gibt als für unsere Eltern. Nun ja, wir werden sehen... Für mich ist das jedenfalls ein weiterer Ansporn, regelmässig auszumisten, in der Hoffnung, dass sich dann nicht ganz so viel Kram angesammelt hat, wenn wir einmal so alt sind!

    LG, Julia

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    1. Hallo Julia,
      Danke dass du uns auch an deiner Geschichte zum selben Thema teilhaben lässt.
      Wie ich beim Schreiben des Artikels bemerkt habe, ist das ein sehr emotionales Thema.
      Da kann man nur hoffen, dass die Familie so gut wie möglich zusammen hält!

      Schön auch zu hören, dass du daraus gleich Schlüsse für dich selbst ziehst!
      Viel Erfolg und Kraft in dieser Sache wünscht dir
      Bianca

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  2. Jaja ....
    es berührt doch immer wieder, dieses Wechselspiel zu beobachten. In Phasen von Aufbruchstimmung werden Möbel, Maschinen und Einrichtungsgegenstände aufgepeppt, repariert und geordnet, als müssten sie noch weitere 50 Jahre ihren Dienst tun. Wenn dann zwischendurch Kraft und Atem nachlassen, wenn einzelne Gegenstände, die einen Lebtag lang gute Dienste geleistet haben, aber einfach beim Umzug nicht mitgenommen werden können, verschenkt, verkauft oder weggeworfen werden müssen, merken Kinder und Enkel, wie schwer es den alten Menschen doch fällt, Gewohntes aufzugeben.
    Da merke ich auch, dass die Eltern zwar Unterstützung bei diesen Tätigkeiten brauchen, dass ihnen aber nicht damit geholfen ist, mit dem uns eigenen Verständnis von Sinn und Nutzen von Gegenständen permanente Ratschläge von der Art "was willst du noch mit dem alten Krempel" zu geben, sondern die Emotionen, die daran haften, zu akzeptieren. Solange in der neuen Wohnung nicht das Mercedes Cabrio, von dem man sich nicht trennen kann, im Schlafzimmer steht und die gute Mafell-Tischkreissäge die Esszimmerwand schmückt, sollen sie das in die neue Wohnung mitnehmen, mit dem sie sich gerne weiterhin umgeben.
    In diesem Sinne, Binci .... dein Dad

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